Ein Riss des vorderen Kreuzbandes betrifft nicht nur das Band selbst – er verändert auch, wie das Knie gesteuert und wahrgenommen wird. Das liegt daran, dass sich direkt nach der Verletzung im Körper komplexe Prozesse abspielen, die Muskeln, Nerven und sogar das Gehirn beeinflussen.

🚧 Was passiert im Knie nach der Verletzung?

Nach dem Riss kommt es zu einer Entzündungsreaktion. Blutgefäße weiten sich, ihre Wände werden durchlässiger, und Abwehrzellen wie Neutrophile, Monozyten und Makrophagen wandern ins Gelenk. Diese setzen Botenstoffe wie IL-1Beta und IL-6 frei.

  • Diese Botenstoffe verursachen Schwellung und Schmerzen.

  • Sie verändern die Signalübertragung zwischen Nerven, wodurch Schmerzen stärker empfunden und Muskelreflexe gehemmt werden. Das kann zu einer Muskelschwäche führen – vor allem im Oberschenkelmuskel (Quadrizeps).

🦾 Warum der Muskel „abschaltet“

Die Entzündung kann auch Zellen im Rückenmark (Mikroglia) aktivieren, die weitere Entzündungsstoffe produzieren. Das führt dazu, dass Schmerzsignale leichter ausgelöst werden und Reflexe weiter gehemmt werden.
Zusätzlich kann sich der Muskelabbau (Atrophie) beschleunigen – besonders, wenn ein Eiweiß namens Myostatin vermehrt gebildet wird. Das passiert häufig in einer anhaltenden Entzündungsphase.

🧠 Das Gehirn spielt mit

Entzündungsbotenstoffe wie IL-6 können sogar Gehirnregionen beeinflussen, die Bewegungen steuern. Das kann dazu führen, dass das Gehirn Ersatzbewegungen entwickelt, die den verletzten Muskel weiter „ausschalten“.

🔄 Oxidativer Stress – ein weiteres Problem

Langanhaltende Entzündungen erzeugen sogenannten oxidativen Stress, der Gewebe zusätzlich schädigen kann. Der Körper kann diesen nicht immer selbst ausreichend abbauen.
Eine Ernährung mit vielen Antioxidantien kann helfen. Gute Quellen sind: Traubenkerne, Äpfel, Kakao, Rotwein (in Maßen), Beeren, grüner und schwarzer Tee, Kaffee, Gemüse, Olivenöl und Nüsse.

📌 Was kann man tun?

  • Gegen Muskelabbau: Krafttraining! Fokus zu Beginn: Isometrisches (Anspannen ohne Bewegung) oder exzentrisches Training (langsames Nachgeben unter Belastung).

  • Gegen „Abschalten“ des Muskels: Neuromuskuläre Elektrostimulation – dabei wird der Muskel elektrisch gereizt und so unabhängig von den hemmenden Nervensignalen aktiviert.

❗️ Fazit:

Ein Kreuzbandriss ist nicht nur eine mechanische Verletzung. Entzündung, Nervensignale und Muskelreaktionen hängen eng zusammen. Dennoch muss das keine Angst machen – in vielen Fällen verläuft die Rehabilitation völlig problemlos und planmäßig. Wer jedoch die biologischen und neurologischen Prozesse kennt, kann gezielter trainieren und so das Beste aus seinem Knie herausholen. Mit gezielter Ernährung und dem richtigen Training lässt sich der Genesungsprozess positiv beeinflussen. 📈


Quellen:

Stańczak M, Swinnen B, Kacprzak B, Pacek A, Surmacz J. Neurophysiology of ACL Injury. Orthop Rev (Pavia). 2025 Feb 19;17:129173. doi: 10.52965/001c.129173.